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Pirmin Holdeners Zuhause im Atelierquartier Gockhausen ist eine Symbiose aus Natur und Architektur, wo Arbeit und Familienleben nahtlos ineinanderfliessen. Mit einer inspirierenden Intuition gestaltet er seinen eigenen Garten – und die seiner Kunden.
Wie eine Filmkulisse wirkt Pirmin Holdeners Zuhause – wenn die Frösche ihr nächtliches Konzert beenden und den blau schimmernden Libellen die Teichbühne freigeben. Wenn die Sonne ihre Fühler durch die Baumkronen ins Haus schickt und Raum für Raum abtastet. Wenn frische Sommerluft durch die Terrassentür strömt und sich mit dem Duft von Kaffee vermischt.
Nach der morgendlichen Aufgabenverteilung in der Werkstatt strömen die Mitarbeitenden von Pirmin Holdener aus – zu den aktuellen Baustellen und zum Unterhalt in die Kundengärten. Holdener Naturgartenbau ist in Gockhausen verwurzelt. 1964 baute Pirmins Vater für den Architekten Andrè Studer den ersten Naturgarten in Gockhausen, bevor er sich mit seiner Familie in der bekannten Künstlerkolonie niederliess. Die in den 1960er-Jahren geschaffene «Atelierzone» auf günstigem nordseitigen Bauland erlaubte es dem Kollektiv bekannter Architekten und Künstlern, neue Formen des Zusammenspiels von Architektur und Umgebung zu erproben. Als Pionier der Naturgartenbewegung prägte Karl Holdener nicht nur die gesamte Umgebung des Atelierquartiers, sondern auch zahlreiche weitere Landschaftsgestaltungen in und um Gockhausen. Besonders hervorzuheben sind seine Arbeiten rund um die Bauten von Eduard Neuenschwander, die durch Holdeners naturnahe Gärten eine besondere Ausstrahlung erhielten.
In diesem inspirierenden Umfeld vererben sich grüne Daumen wohl leichter. Bereits Pirmins zwanzig Jahre älteren Brüder Kuno und Severin schlugen den Weg des Gartenbaus ein. Severin spezialisierte sich auf Trockenmauern und ist heute noch Pirmins erste Wahl für Bauprojekte dieser Art. Kuno wiederum übernahm das damalige Familienunternehmen und wandelte es in seine eigene Firma um. Als Nachzügler stieg Pirmin nach einigen Wanderjahren bei ihm ein, erst in der Administration und nach seiner Zweitausbildung als Landschaftsgärtner in allen weiteren Bereichen. 2018 trennten sich ihre Wege: Kuno begann selbständig kleinere Gartenbauprojekte mit Fokus Unterhalt zu verfolgen, während Pirmin die heutige Holdener Gartenbau GmbH gründete. Der Umweg über eine kaufmännische Ausbildung und den Sprachaufenthalt in Australien hatten sich für Pirmin jedoch mehr als gelohnt. Zurück in die Schweiz kam er mit seiner heutigen Frau Kumiko.
Minimalistische Einrichtung, geradlinige Designobjekte, zelebrierte Sorgfalt – der japanische Einfluss ist überall spürbar. Das ehemalige Elternhaus ist heute die Drehscheibe zwischen Familienleben und Unternehmen. Der Übergang ist fliessend – doch die Aufgabenteilung klar. Während Pirmin in seinem Büro arbeitet und seine Mitarbeiter koordiniert, kümmert sich Kumiko um die beiden Teenager, erledigt die japanische Korrespondenz für einen Verlag und bereitet die Mahlzeiten zu. Die kulinarischen Künste der gebürtigen Japanerin sind nicht nur zuhause geschätzt. Fürs Zürcher Restaurant Ichizen produziert sie regelmässig die Spezialität Tako-yaki auf Vorrat. Auf dem täglichen Mittagstisch jedoch landen bei Holdeners einfachere Gerichte. Hier nimmt nämlich nicht nur die Familie Platz, sondern auch alle Mitarbeitenden, die gerade in Reichweite sind.
Der gemeinsame Mittagstisch steht symbolisch für die Nähe und den Austausch, den Pirmin zu seinem Team pflegt. Der älteste Mitarbeiter Zenel Rukovci ist seit drei Generationen dabei und gehört schon fast zur Familie. Pirmins Neffe Jeremias kommt regelmässig aus Argentinien in die Schweiz und hilft ihm während der Sommersaison aus. So wird der Mittagstisch zu einer Mischung aus Sprachcafé, Teammeeting und Familienrat im Schatten des Apfelbaumes. Das Team scheint den Austausch zu geniessen, während die Hündin Nana den Trubel nutzt, um nach unbeobachteten Leckerbissen zu spähen.
« Die Gartengestaltung muss sich der Natur anpassen, nicht umgekehrt – Form follows Flora
Pirmin Holdener
Geschäftsführer
Danach geht es zurück an die Arbeit. Für Pirmin bedeutet das neben der Büroarbeit das Vorbereiten der Baustellen. Er ist sozusagen der Art Director seiner Gärten. Werden Setzlinge und Bäume geliefert oder Findlinge freigelegt, fährt er zu seinen Kunden, um diese an der richtigen Stelle zu platzieren. Dies macht er intuitiv und mit einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik. «Manchmal entscheide ich mich spontan gegen den ursprünglichen Pflanzplan. Den Aufwand für einen allfälligen Rückbau nehme ich dabei in Kauf. Doch meistens vertrauen mir meine Kundinnen und Kunden und die Lösung bewährt sich langfristig.»
Gärten anzulegen, die langfristig Freude bereiten, bedeutet auch, sich mit dem veränderten Klima auseinanderzusetzen. Pirmin und sein Team beobachten genau und planen schon heute Gärten, die den Herausforderungen von morgen standhalten. Das gilt sowohl für die Ausrichtung der Sitzplätze als auch für die Pflanzkonzepte. «Die Gartengestaltung muss sich der Natur anpassen, nicht umgekehrt – Form follows Flora», sagt Pirmin und schwärmt von den Vorzügen eines nordseitigen Gartens. «Der Boden heizt sich langsamer auf und braucht keine künstliche Bewässerung. Ausserdem ist der Lichteinfall hundertmal schöner!»
Früher bedeutete der Winter eine Verschnaufpause für den Gartenbau. «Bei gefrorenem Boden kann man zum Beispiel keine Aufschüttungen machen, das würde alles wieder zusammensacken.» Heute gibt es praktisch keine saisonalen Schwankungen mehr bei der Auftragslage. Doch sich auszuruhen ist ohnehin nicht Pirmins Ding. «Ein Leben ohne Arbeit kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe auch nicht vor, irgendwann in Pension zu gehen, ich werde einfach arbeiten, bis es nicht mehr geht», sagt er, während er durch seinen Garten streift und begeistert das Konzept des Wildwuchses erklärt.